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Marie Bashkirtseff

Marie Bashkirtseff, Im Nebel, 1882, Öl auf Leinwand, 47 x 55 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 1173
Marie Bashkirtseff
Marie Bashkirtseff, Im Nebel, 1882, Öl auf Leinwand, 47 x 55 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 1173
Marie Bashkirtseff, Im Nebel, 1882, Öl auf Leinwand, 47 x 55 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 1173
Dieses Werk ist Teil der Open Content Policy des Belvedere, ist zum Download freigegeben und unterliegt der Creative Commons Lizenzvertrag Creative Commons License CC BY-SA 4.0.
    1858 Poltawa – 1884 Paris
    GeburtsortPoltawa, Oblast Poltawa, Ukraine, Europa
    SterbeortParis, Île-de-France, Frankreich, Europa

    Marie Konstantinovna Bashkirtseff (Башкірцева, Марія, Bashkirtseva Mariia, Baškirceva Marija) wurde am 24. November 1858 in Hawronzi/Gawronzy, Gouvernement Poltawa im Russischen Kaiserreich, heute Ukraine, in eine begüterte adelige Familie geboren. Fälschlicherweise wurde von der Familie stets 1860 als ihr Geburtsjahr kolportiert, ein Umstand, der erst Jahrzehnte nach dem Tod der Künstlerin korrigiert werden konnte. Maries Eltern trennten sich früh, das Mädchen wuchs gemeinsam mit ihrem um ein Jahr jüngeren Bruder bei ihrer Mutter und deren Eltern in Ochtyrka im Gouvernement Charkiw auf. Bis 1870 lebte die Familie in Russland, bevor sie sich nach Aufenthalten in Wien, Baden-Baden, Genf und München in Nizza niederließ. Unterricht erhielt die junge Tochter von Privatlehrern.

    Mit 16 Jahren verfolgte Marie Bashkirtseff das Ziel, Sängerin zu werden, doch aus gesundheitlichen Gründen war sie gezwungen, diesen Plan aufzugeben. In der Folge wandte sie sich der Malerei zu und bewog ihre Familie 1877 dazu, nach Paris zu übersiedeln, wenngleich die Ärzte aufgrund ihrer Erkrankung davon abgeraten hatten. Ab Oktober 1877 besuchte Bashkirtseff die private Kunstakademie Julian, die von Rodolphe Julian 1868 gegründet worden war und in der es auch Frauen möglich war, Malerei zu studieren. Neben Julian zählte zu ihren Lehrern Tony Robert-Fleury, der so wie Julian der konventionellen Salonmalerei verpflichtet war. In dieser Malrichtung wurden auch die Studierenden unterrichtet, was ihnen zwar den Zugang zu modernen Kunstströmungen verstellte, aber den Vorteil einbrachte, dass ihre Werke gelegentlich auch Aufnahme in den Pariser Salon fanden. Marie Bashkirtseff setzte von Beginn ihrer Ausbildung an einen auffallenden Ehrgeiz daran, mit ihrer Kunst möglichst rasch öffentliche Anerkennung zu erhalten. Tatsächlich gelang es ihr bereits 1880, nach nur drei Jahren Ausbildung, ein Gemälde im Pariser Salon auszustellen. Ein Jahr später durfte sie dort ihr großformatiges Gemälde „Das Atelier der Damen, geleitet von Herrn Julian“ präsentieren. 1883 wurde ein von ihr geschaffenes Pastellbildnis vom Salon sogar mit einer „Mention honorable“ ausgezeichnet. Und schließlich erregte 1884, im Jahr von Bashkirtseffs frühem Tod, auch das Bild „Le meeting“ mit der Darstellung von ärmlichen Pariser Straßenjungen die Aufmerksamkeit des Salons. In der betont naturalistischen Milieuschilderung zeigt sich bereits deutlich der Einfluss, den der Maler Jules Bastien-Lepage in zunehmendem Maß auf Bashkirtseff ausübte. Die junge Künstlerin hatte seit etwa 1880 engen Kontakt mit ihm und seinem Bruder, dem Architekten Émile Bastien-Lepage. Bei Letzterem nahm sie auch Unterricht im Perspektivzeichnen.

    Trotz der Beschwerden, die sich aufgrund einer Lungentuberkuloseerkrankung immer stärker bemerkbar machten, setzte Bashkirtseff ihre künstlerische Arbeit ungebremst fort. Ihre Krankheit führte u. a. dazu, dass sie kurz vor ihrem Tod vollständig ertaubte. Mit nur 26 Jahren starb Marie Bashkirtseff schließlich am 31. Oktober 1884 an den Folgen der Lungentuberkulose in Paris. Bashkirtseffs Familie ließ über ihrem Grab auf dem Friedhof von Passy ein großes Mausoleum errichten, das von Émile Bastien-Lepage entworfen worden war.

    Unmittelbar nach Marie Bashkirtseffs frühem Tod veranstaltete die Union des Femmes Peintres et Sculpteurs eine Gedächtnisausstellung. Zudem stellte das Pariser Musée du Luxembourg dauerhaft ein Werk von Bashkirtseff aus – eine Ehre, die Künstlerinnen damals nur ausnahmsweise zuteilwurde. Heute sind rund 230 Gemälde und Zeichnungen bekannt, die Marie Bashkirtseff in den Jahren von 1877 bis 1884 geschaffen hat.

    Neben ihrer Beschäftigung mit der Malerei verfolgte Marie Bashkirtseff schon von früher Jugend an eine intensive schriftstellerische Tätigkeit. Zweimal trat sie mit ihren Texten auch zu Lebzeiten an die Öffentlichkeit, nämlich mit Beiträgen, die sie unter dem Pseudonym Pauline Orel für die feministische Zeitschrift „La citoyenne“ verfasste. Mit großer Hingabe widmete sich Bashkirtseff zudem ihren privaten Tagebuchaufzeichnungen, an denen sie von 1873, also ab ihrem 15. Lebensjahr, bis wenige Tage vor ihrem Tod arbeitete, die sie aber vor der Öffentlichkeit und auch vor ihrer Familie verborgen hielt. Erst 1887, drei Jahre nach ihrem Tod, entschloss sich die Familie, die Tagebücher zu veröffentlichen. Die viele Bände umfassenden Aufzeichnungen erregten sofort großes Aufsehen. Sie wurden in der literarischen Fachwelt intensiv besprochen und auch in andere Sprachen übersetzt. Ungewohnt und überraschend waren die ungeschönten Schilderungen des künstlerischen Werdegangs sowie der Einblick in das soziokulturelle Milieu der Malerin. Zudem beeindruckte die Offenheit, wie die junge Künstlerin ihre Wünsche und Sehnsüchte selbstbewusst artikulierte. Für eine ganze Generation von Künstlerinnen am Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Bashkirtseffs Schriften Kultstatus und übten eine große Vorbildwirkung aus.

    [Franz Smola, 2021]